PG Heidingsfeld

Im Vorfeld schon hatte sich der ökumenische Arbeitskreis der katholischen Pfarreiengemeinschaft und der evangelischen Pfarrei St. Paul mit der Planung und Organisation des diesjährigen Heidingsfelder Flur- und Bittgangs am 22.Mai befasst. Heimlich in den Kreis eingemogelt hatte sich sogar, man möchte es kaum glauben, der alte Göttervater Zeus: er schickte ein Zwischenhoch mit seinem Namen, das am Sonntag Rogate („Betet!“) für herrlichen Sonnenschein und angenehme Temperaturen sorgte. Genau das richtige Wetter, um nach zweijähriger Pause die schöne Tradition des gemeinsamen Bittgangs wieder aufzunehmen.

Vor dem liebevoll geschmückten Portal von St. Paul hatte sich eine Vielzahl von Gläubigen eingefunden, die zunächst die farbenprächtigen Fahnen der drei Heidingsfelder Vereine (Fasenachtsgilde Giemaul, Turngemeinde Würzburg-Heidingsfeld e.V., Freie Turnerschaft Heidingsfeld), die ihre Fahnenträger geschickt hatten, bewunderten und sich über die Anwesenheit der allseits beliebten Laurentius-Musikanten freuten.
Das diesjährige Motto des Bittgangs hieß „Wasser zum Leben“, weshalb die Wegstrecke längs des Mains von Heidingsfeld bis zum Steinbachtal verlief. Diakon Toni Barthel und Pfarrerin Herma Teschke begrüßten alle Anwesenden, dankten den Mitwirkenden für bereits geleistete und noch zu erbringende Beiträge - und mussten gleich feststellen, dass auch die Tücken der Technik mit von der Partie waren. Ein durchdringender Pfeifton schallte nämlich aus dem Lautsprecher, was lachend aus der Menge mit einem „Jetzt sind wir endlich alle wach!“ quittiert wurde. Das hätten leicht aber auch die Bläser geschafft, die volltönend das erste Lied, „Lobet den Herren“, anstimmten.
Pfarrerin Teschke wies in ihrer Ansprache auf die beiden diametral entgegengesetzten Seiten des Wassers hin – die lebensspendende, aber auch die lebensbedrohliche. Wasser ist ein Lebenselixier. Ohne Wasser kein Leben. Aber Wasser kann Leben auch vernichten, wie in letzter Zeit Starkregen und Flutkatastrophen leider nur zu deutlich zeigen. Auch die Kirche kennt Wasser sowohl als Zeichen des Lebens als auch des Todes. Im Sakrament der Taufe wird der Mensch verwandelt. Lächelnd, aber voller Ernst, zitierte Pfarrerin Teschke Martin Luther: „Der alte Adam wird in der Taufe ersäuft…“, was heißt, dass alles untergehen und abgewaschen werden soll, was uns von Gott trennt. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes wird der Mensch verwandelt und erneuert - gebannt schauten die Leute zu, wie die Pfarrerin zur Verdeutlichung aus hoch erhobener Kanne dreimal silberklares Wasser in die darunter befindliche Schale goss. Mit der Taufe, erklärte sie, haben wir Anteil am Tod Jesu Christi und gleichzeitig auch an seiner Auferstehung. Ein Neubeginn mit Christus ist dank seiner Liebe zu uns jederzeit möglich, nicht nur in der Taufe. Als Christen sind wir daher immer zu Dank verpflichtet. Auf Gottes Vergebung angewiesen, sollten wir auch anderen vergeben. Christlich leben heißt, im Sinne Jesu aus Gottes Geist heraus leben und das Doppelgebot der Liebe umsetzen: nicht ständig den Eigennutz in den Vordergrund stellen, sondern die Not der anderen sehen und ihnen helfen. Dazu gehört auch der schonende Umgang mit den wichtigen Ressourcen unserer Erde und unserem wichtigsten Lebenselixier, dem Wasser.
Der im Laufe des Bittgangs immer wieder wiederholte Liedruf „Alle meine Quellen entspringen in dir…“ beendete den Aufenthalt an der ersten Station. Singend und betend bewegte sich der Zug mit Vortragekreuz, Fahnen, Geistlichkeit, Kapelle, Lautsprecheranlage und Gläubigen längs der Heidingsfelder Stadtmauer über die Haltestelle Reuterstraße zum Wiesenweg. Dabei agierte Diakon Barthel öfters als ‚Verkehrsberuhiger‘, wenn andere Verkehrsteilnehmer kein Verständnis für die Länge des Zuges aufbrachten.
Die Kanu-Abteilung der TGWH hatte sich für die zweite Station des Bittgangs etwas Besonderes überlegt: Ein aus Paddeln geformtes Kreuz wartete auf die Prozession, und für diejenigen, die Bedarf hatten, waren Sitzgelegenheiten aufgestellt worden.
„Wasser zum Leben“ braucht auch der Kanu-Verein, der sein heutiges Domizil am Main in den 1960er Jahren erworben hat. Von hier aus wurden und werden Flüsse, Seen, Meere erkundet, über das Wasser bleibende Freundschaften mit Kanuten aus aller Herren Länder geschlossen, Titel und Preise gewonnen.
Gottes Natur vom Wasser aus zu sehen, bedeutet oft noch unberührte Natur zu erleben. Deshalb setzt der Verein sich mit großem Engagement ein für die Erhaltung der Umwelt und des Mains als wohltuender Lebensader. Dennoch kennt man ebenso die Angst-machende Urgewalt des Wassers, das mit Überschwemmungen und Flutkatastrophen erst im vergangenen Jahr vielerorts in Deutschland existenzbedrohende Schäden angerichtet hat - so auch im Nachbarort Winterhausen. Wie in guten Zeiten, hat man aber in diesen Notsituationen mit angepackt, geholfen und im gemeinsamen Tun Zusammenhalt, Kraft und Freude gewonnen. Dafür sei Gott gedankt!
Abschließend wurde für die Menschen gebetet, die Wasser als lebensbedrohend erfahren mussten (Ahrtal, Mittelmeer), sowie für die zunehmend größere Anzahl von Gebieten, die unter Naturkatastrophen leiden. Der Aufenthalt im TGWH Kanu-Club endete mit der inständigen Bitte an Gott um die Einsicht, respektvoll und klug mit der lebenswichtigen Ressource Wasser umgehen zu müssen.
Choralsingend und ausgewählten Texten lauschend ging der Flur- und Bittgang unter Eisenbahn- und Adenauerbrücke hindurch weiter. Wegen der relativ niedrigen Unterführung bekamen die Träger der Fahnen und Lautsprecher hier manchmal Schwierigkeiten und mussten ihre Last kippen. Das wiederum führte zu Rückkoppelungen bzw. dazu, dass die Folgenden die Übertragung nicht mehr richtig verstehen konnten. Also fingen einige an, sich mehr oder minder lautstark zu unterhalten. Aber das Wasserwerk in der Mergentheimer Straße kam schnell in Sicht und damit die nächste Station.
„Wasser zum Leben“, Wasser als Lebensmittel, wird durch das Wasserwerk sichergestellt. Täglich liefert das Werk in der Mergentheimer Straße bis zu 17.000m³ Trinkwasser bester Qualität und sichert durch die Aufbereitung des Mainwassers auch in Zukunft die Unabhängigkeit von sinkendem Grundwasser- und Quellangebot.
70% der Erde bestehen aus Wasser, davon sind nur 3% Süß- bzw. Trinkwasser. Der Mensch selbst besteht zu 60 – 70% aus Wasser. Bereits der Verlust von 10% führt zu Beschwerden und lebensbedrohenden Zuständen, wobei Kopfschmerzen das geringste Übel sind. Ohne Nahrung kann der Mensch 40 Tage überleben – ohne Wasser aber nur drei bis vier Tage!
Wie selbstverständlich ist für uns der Genuss frischen Trinkwassers, das kühl und erfrischend aus Brunnen geschöpft oder bequem aus dem Wasserhahn gelassen werden kann. Wie dankbar müssen wir sein, so uneingeschränkt davon Gebrauch machen zu können! In Deutschland werden täglich pro Kopf über 120 l Trinkwasser verbraucht, während weltweit 900 Millionen Menschen keine Grundversorgung mit sauberem Wasser haben. Danken wir Gott, dass wir bisher verschont geblieben sind vor verseuchtem Wasser, extremer Dürre und Hungersnot! Klimaveränderungen jedoch beobachten auch wir bereits: Heißer wird es und trockener. Waldbäume sterben. Die Waldbrandgefahr wächst. Das Wasser wird knapper. Lehre uns, Gott, achtsam damit umzugehen und auch, es zu teilen!
Die schöne Melodie des Liedes „Erde singe, dass es klinge…“ begleitete die „Hundertschaft Gottes“ auf dem letzten Wegstück. Ein Teilnehmer hatte spontan diese Bezeichnung gefunden, nachdem er die Länge des Zuges gesehen und die Anzahl der Mitwandernden geschätzt hatte. Begleitet von Vogelgezwitscher und Kuckucksrufen ging es unter großen, Schatten spendenden Platanen, Linden und Ahornbäumen zu Fuß, mit Stöcken, Rollator und Rollstuhl weiter bis zum Steinbachtal.
Vor der Kirche St. Bruno erinnerte Pfarrer i.R. Werner Schindelin an die lebendige Ökumene in Heidingsfeld, v.a. im Steinbachtal, die sich in gemeinsamen Adventsaktivitäten, Sternsingeraktionen und jetzt auch im Flur- und Bittgang zeigt.
„Beten ist, wie an einem großen Strom stehen“, begann er: Vieles fließt an einem vorbei, Gutes und Böses. Aktuelle Nachrichten berichten von Zerstörung, Ruinen, Leichenbergen. Gute Nachrichten sind selten. Dennoch: der Strom kommt zur Ruhe. Der Schmutz senkt sich ab. Sauberes Wasser kommt nach oben. „Beten ist, wie an einem Strom stehen.“ Man muss lernen, durchzuatmen. Gottes Liebe weitet das Herz. Gottes Liebe ist wie eine reine Quelle am Grund des Stromes. Christi Hingabe in Liebe und Tod reinigt alles und lässt wieder frisches Wasser sprudeln, damit wir unseren Durst stillen können, um in Christi Nachfolge zu leben. Pfarrer Schindelin schloss mit Worten aus dem Gebet der UNO, das 1942 geschrieben wurde und immer noch hochbrisant ist.
Nach weiteren Fürbitten um die Beendigung von Leid, Unrecht und sinnloser Zerstörung, um Waffenniederlegung und Frieden schloss sich die Segnung von Brot, Wasser und Bittgangsteilnehmern an. Vorbereitete Tische und Bänke luden zum Verweilen ein. Große Partybroträder hielten für jeden einen herzhaften Bissen bereit, und ein Trunk erfrischend kühlen Wassers machte noch einmal das Motto des Bittgangs deutlich: „Wasser zum Leben!“
Eine letzte Überraschung erlebten die Anwesenden, als auf einmal Pfarrer Wolfgang Bier nach dem Gottesdienst in St. Bruno mit seiner Ministrantenschar aus der Kirche kam, um auf launige Weise seine Kollegen zu begrüßen und Diakon Toni Barthel nachträglich zum 61. Geburtstag zu gratulieren. Dementsprechend endete der Flur- und Bittgang 2022 spontan und ganz ökumenisch mit einem herzlichen „Viel Glück und viel Segen!“

von Karin Veit

Hier noch einige Bilder:

und jetzt noch weitere Bilder

 

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