PG Heidingsfeld
Tagelang hatte es geschüttet. Die Verantwortlichen waren fast schon überzeugt, dass der Bittgang erneut ins Wasser fallen würde – wie sonst eigentlich nur, wenn er von ‚der Heiligen Familie' aus starten sollte. Aber pünktlich um 9 Uhr rissen am 12. Mai 2019 die Wolken auf, und die Sonne stahl sich schüchtern hervor

Kalt war es dennoch, als der Zug der Gläubigen sich kurz vor zehn von der katholischen Kirche St. Laurentius zusammen mit ihren Pfarrern Stephan Schmidt und Klaus Hösterey, Diakon Toni Barthel, Messdienern, Fahnenabordnungen der Heidingsfelder Vereine und sechs Bläsern der Laurentius-Musikanten auf den Weg machte.

„Die gesamte Schöpfung braucht Schutz" war Überschrift des diesjährigen Bittgangs. Dazu gehört alles – die Natur ebenso wie der Mensch, die gesamte Erde, das Weltall. Singend und betend führte der Weg die Heidingsfelder Christen diesmal nicht, wie gewohnt, zur Weinbergskapelle auf dem Kirchberg. Stattdessen machte man ersten Halt auf der Klosterstraße, wo an die jüdische Bevölkerung erinnert wurde, die hier gelebt hatte. Zum Gedenken an die Holocaust-Opfer wurde stellvertretend an zwei Stolpersteinen eine weiße Rose niedergelegt. Begleitet von Psalmengebet, Krähengeschrei und später melodischem Vogelgezwitscher, gelangte man durch die Grünanlagen längs der alten Stadtmauer zu den beiden weiteren Stationen am Bruno-Werk und vor der evangelischen Kirche St. Paul. Hier hielt Pfr. Schmidt eine kurze Ansprache (u.a. zum Wochenspruch „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden" - 2 Kor. 5,17) und ließ die Anwesenden in vier Gruppen den Kanon „Vom Aufgang der Sonne" singen. Danach meinte er verschmitzt, dass sich in Heidingsfeld evangelische und katholische Stimmen hörbar geschwisterlich vereinten und dass er sich sehr darüber freuen würde, dass sowohl vor St. Laurentius als auch vor St. Paul die Kirchenfahnen beider Konfessionen im Winde wehten. Dabei konnte er jedoch nicht umhin, schmunzelnd zu bemerken, dass die katholische Fahne vor St. Paul ein klein wenig kürzer sei...
Mit der Segnung von Brot und Wein durch die beiden Pfarrer fand die Amtshandlung ein Ende. Beides wurde anschließend an die Teilnehmer des Bittgangs ausgeteilt, und viele waren froh, sich jetzt ein vor dem rauen Wind geschütztes Plätzchen suchen und noch ein wenig plaudern zu können. „Kalt ist es ja, aber wir haben etwas sehr Schönes miteinander teilen können", war die allgemeine Meinung, „und für diejenigen, die nicht so gut zu Fuß sind, war der Weg heuer auch machbar!"

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